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Anke Domscheit-Berg, Mitglied des Bundestages

Elon Musks Verständnis von Meinungsfreiheit ist potenziell demokratiegefährdend

„Der Aufkauf einer globalen Kommunikationsplattform durch einen einzelnen Milliardär zeigt die Schwächen und Gefahren eines ungebremsten Kapitalismus. So ermöglicht purer Reichtum, der nur durch die Kombination von leistungsloser Erbschaft, Ausbeutung und Steuervermeidung überhaupt entstand, einen Einfluss darauf, wie wir kommunizieren, welche Informationen mehr Reichweite bekommen und welche ausgebremst werden", erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf die Tatsache, dass Elon Musk das soziale Netzwerk Twitter kauft und somit zukünftig die Spielregeln der Plattform mitbestimmt. Er kündigte an, Twitter zu einer Plattform für die „globale Meinungsfreiheit" zu machen. Anke Domscheit-Berg weiter:

„Die Folgen können gravierend und demokratiegefährdend sein, weil zu erwarten ist, dass stärker als bisher Desinformationen, Verschwörungserzählungen und digitale Gewalt verbreitet werden. Ein extremes Beispiel erleben wir gerade in Russland, wo die Medienkontrolle durch Putin dazu führte, dass Menschen nicht einmal mehr ihren eigenen Angehörigen glauben.

Neben zunehmendem Misstrauen in demokratische Institutionen und der direkten Beeinflussung demokratischer Kernprozesse wie Wahlen besteht auch die Gefahr weiterer Polarisierung und Aufstachelung zu Gewalt. So wurde der Völkermord an den Rohingya in Myanmar aber auch der Sturm auf das Capitol bei der letzten Wahl des US-Präsidenten wesentlich durch Algorithmen sozialer Medien gefördert. Wenn digitale Gewalt, insbesondere als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit - also z. B. mit Formen von Homophobie, Antisemitismus, Rassismus oder Sexismus - weiter zunimmt, weil das für Elon Musk Meinungsfreiheit ist, werden öffentliche Debattenräume nicht nur ungemütlicher und werden von digitaler Gewalt betroffene Personen vermutlich Twitter eher verlassen als andere, sondern werden außerdem mit hoher Wahrscheinlichkeit auch physische Gewalt und extremistische Tendenzen wieder zunehmen. Schon jetzt bevorzugen Algorithmen bei Facebook und Twitter Inhalte überproportional, die besonders polarisieren und aufregen.

Gerade wurden in der Europäischen Union neue Regeln für digitale Märkte und Plattformen erarbeitet. Ob sie sich auch in der Praxis bewähren, wird sich erst in Zukunft zeigen. Ich habe da meine Zweifel, hoffe es aber sehr, denn auch ein Twitter, das Elon Musk gehört, unterliegt den geltenden Gesetzen und damit potenziell empfindlichen Sanktionen bei Rechtsverstößen. 

Dieser Vorgang zeigt jedoch auch deutlich, warum es nicht nur gute Gesetze, sondern auch ein europäisches, gemeinwohlorientiertes soziales Netz als soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft braucht, mit offener Software und transparenten Algorithmen, mit Regeln, die die Nutzer*innen selbst festlegen, ohne Werbung und ohne irgendwelche anderen kommerziellen Zwecke. Ein solches soziales Netz sollte nicht staatlich kontrolliert, sondern unabhängig sein, aber es braucht eine nachhaltige und öffentliche Finanzierung. Es wird höchste Zeit, eine solche Alternative zu schaffen, aber auch vorhandene, gemeinwohlorientierte soziale Netze, das sogenannte Fediverse, mehr als bisher zu fördern."