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Helmut Scholz, Mitglied des Europäischen Parlaments

Druck auf EU-Rat wächst: Von der Leyen fordert Konvent für neue Verhandlungen über Europäische Verträge

In der alljährlichen Rede zur ‚State of the Union‘ forderte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute die Einberufung eines Konvents nach Art. 48, um neue Verträge über die Europäische Union und ihre Arbeitsweise zwischen den Mitgliedstaaten zu schließen. Helmut Scholz, verfassungspolitischer Sprecher der LINKE-Delegation, sieht darin eine Chance, um den Druck auf den Rat zu erhöhen und langfristig das institutionelle Gerüst der EU sozial gerechter zu gestalten. Dies war auch eine aus der Konferenz zur Zukunft Europas (COFE) resultierende Forderung.

Helmut Scholz, der COFE aktiv mitgestaltet hatte, begrüßte die klaren Worte: „Wir als Parlament arbeiten schon lange darauf hin, auch die EU-Kommission zu einer klaren Positionierung zu bewegen. Ihre bisherige Rolle kam eher der einer Moderatorin zwischen Rat und Kommission gleich. Dass auch die Kommissionspräsidentin sich nun endlich aus der Deckung traut und konsequente Schlüsse aus der Zukunftskonferenz zieht, ist sehr erfreulich. Das Vertrauen in die EU würde bei den Bürger*innen nachhaltig geschädigt, wenn die erarbeiteten Empfehlungen nach all den geweckten Hoffnungen auf tiefgreifende Reformen jetzt einfach ignoriert würden. Der Rat gerät nun unter deutlich größeren Zugzwang und sollte sich auch endlich für die Durchführung eines Konvents aussprechen.“

Erst vergangene Woche war Mikuláš Bek, tschechischer Minister für europäische Angelegenheiten, für die EU-Ratspräsidentschaft im Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten (AFCO) zu Besuch, um den Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen. Sowohl im AFCO als auch in seiner heutigen Rede hatte er zwar seine Unterstützung für die Umsetzung der Empfehlungen versichert, sich aber explizit nicht zur Einberufung eines Konvents geäußert. Helmut Scholz stellt klar: „Diese zweigleisige Augenwischerei vonseiten des Rates muss ein Ende haben. Es ist ein Fakt, dass es ohne Konvent keine glaubwürdige Umsetzung der Empfehlungen der Bürger*innen geben kann.“

Helmut Scholz weiter: „Damit wir einen Konvent erreichen können, müssen den Worten von Ursula von der Leyen jetzt natürlich auch Taten folgen. Ich erwarte von der EU-Kommission, dass sie den öffentlichen Druck erhöht, aber auch ihre institutionellen Möglichkeiten nutzt, um den Rat aus der Reserve zu locken. Wir Abgeordneten sind mehr als bereit, dafür mit der Kommission zusammenzuarbeiten und erwarten natürlich auch Unterstützung für unsere Vorhaben. Im AFCO wird gerade ein breit getragener Vorschlag für eine geänderte Version der Verträge erarbeitet. Als Berichterstatter nehme ich dort für die europäische Linksfraktion (THE LEFT) an den Verhandlungen teil und versuche, mich für eine sozial gerechte EU einzusetzen, deren Investitionen in Bildung, Jugend und Kultur nicht bereits durch die Verträge eingeschränkt wird. Außerdem ist es mir besonders wichtig, dass das Europäische Parlament – die einzig direkt gewählte Institution der EU – mit mehr Rechten im Gesetzgebungsprozess ausgestattet wird.“

Hintergrund

In ihrer heutigen Rede zur Lage der Union ging EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch darauf ein, wie die Europäische Union auf die Empfehlungen der Konferenz zur Zukunft Europas reagieren sollte. Die Konferenz war 2019 von der Kommission auf den Weg gebracht worden, um eine EU-weite Diskussion über politische Vorhaben und institutionelle Reformen anzustoßen. Im Rahmen einer großen Bürgerbeteiligungsoffensive wurden daher innerhalb von einem Jahr insgesamt 49 konkrete Vorschläge erarbeitet und am 9. Mai 2022 in einem abschließenden Bericht vorgestellt. Da viele dieser Empfehlungen nur umsetzbar wären, wenn auch eine entsprechende Änderung der EU-Verträge stattfinden würde, pocht das Parlament schon seit Wochen auf die Einberufung von neuen Verhandlungen in Form eines Konvents nach Artikel 48 (TEU). Seit heute schließt sich auch die Kommission offiziell dieser Linie an. Der Rat, bestehend aus den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, blockiert weiterhin, steht nun aber unter Zugzwang.